Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz

Bewertungsrechtliche Änderungen für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer

Die in jüngster Zeit ergangene BFH-Rechtsprechung zur Bewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer hat den Gesetzgeber veranlasst, tätig zu werden. Im Referentenentwurf des „Gesetzes zur erleichterten Umsetzung der Reform der Grundsteuer und Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften“ (kurz: Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz) hat er daher auch bewertungsrechtliche Änderungen vorgenommen. Die Änderungsvorschläge sind voraussichtlich nicht streitbefangen und dürften nach derzeitigem Stand daher schon bald „in trockenen Tüchern“ sein.

1.

Bewertungsrelevante Daten für die Wertermittlung

Hintergrund der im GrStRefUG vorgesehenen bewertungsrechtlichen Änderungen ist die jüngste Rechtsprechung des BFH (18.9.19, II R 13/16). Danach sind die vom Gutachterausschuss ermittelten und für die Bewertung erforderlichen Daten (z. B. Liegenschaftszinssätze oder Sachwertfaktoren) für die Bewertung von Grundstücken für Zwecke der Erbschaftsteuer geeignet, wenn der Gutachterausschuss bei der Ermittlung die an ihn gerichteten Vorgaben des BauGB sowie der darauf beruhenden Verordnungen eingehalten und die Liegenschaftszinssätze für einen Zeitraum berechnet hat, der den Bewertungsstichtag umfasst. Auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung oder der Veröffentlichung der Liegenschaftszinssätze durch den Gutachterausschuss kommt es für ihre zeitliche Anwendung nach Auffassung des BFH hingegen nicht an (siehe Musterfall Brüggemann in: ErbBstG 20, 311).

  • Sachverhalt (BFH a. a. O.)
Im entschiedenen Fall ging es um den maßgeblichen Liegenschaftszinssatz für ein mit einem Mietshaus bebauten Grundstück des am 8.3.14 verstorbenen Erblassers in Berlin. Folgende Liegenschaftszinssätze lagen im Streitfall vor:
Liegenschaftszinssatz laut Gutachterausschussbericht 2012 5,90 %
Liegenschaftszinssatz gemäß § 188 Abs. 2 BewG 5,00 %
Liegenschaftszinssatz laut Gutachterausschussbericht 2015 3,98 %
Der Kläger begehrte den vor dem Bewertungsstichtag vom Gutachterausschuss für 2012 ermittelten Liegenschaftszinssatz in Höhe von 5,9 %. Da der Gutachterausschuss bei der Ermittlung der Liegenschaftszinssätze ein sich an § 193 Abs. 5 BauGB orientierendes Modell für die Berechnung einer wirtschaftlichen Restnutzungsdauer der Gebäude herangezogen hatte, das auf das Baualter, den Zustand und die Ausstattung des Gebäudes abstellte, entsprach das Modell nach Ansicht der Finanzverwaltung jedoch nicht den Vorgaben des § 185 Abs. 3 BewG. Danach ist die Restnutzungsdauer grundsätzlich aus dem Unterschiedsbetrag zwischen der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer (Anlage 22 zum BewG) und dem Alter des Gebäudes am Bewertungsstichtag zu ermitteln.
Das Finanzamt wollte daher mangels verwertbarer Angaben des Gutachterausschusses mit dem Liegenschaftszinssatz von 5 % gemäß § 188 Abs. 2 BewG rechnen. Der BFH folgte hingegen dem Modell des Gutachterausschusses, hielt aber den für den Kläger ungünstigeren Liegenschaftszinssatz laut Gutachterausschussbericht 2015 von 3,98 % für maßgeblich, weil dieser erst das Jahr 2014 umfasste.

Die Entscheidung des BFH hat Auswirkungen auf alle von den Gutachterausschüssen für die Wertermittlung ermittelten Daten i. S. d. § 193 Abs. 5 BauGB, die im Rahmen der Grundbesitzbewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie der Grunderwerbsteuer herangezogen werden.

Da die Daten der Gutachterausschüsse, die erst über mehrere Jahre erhoben und gesammelt, dann periodisch ausgewertet und schließlich veröffentlicht werden müssen, stets eine gewisse Zeit nachhängen, hätte die Anwendung des Urteils zur Folge, dass für die jeweilige Bewertung auf die Veröffentlichung des Gutachterausschusses für den Auswertungszeitraum gewartet werden muss. Bis zur Ermittlung und Veröffentlichung von Liegenschaftszinssätzen, bei denen der Bewertungsstichtag innerhalb des Zeitraums der ausgewerteten Kauffälle des Gutachterausschusses liegt, können aber Jahre liegen. Des Weiteren können sich unterschiedliche Daten ergeben, wenn sich die Auswertungszeiträume zeitlich überlappen. Darüber hinaus erscheint es mit dem Grundsatz der retrograden Wertermittlung unvereinbar, Erkenntnisse aus Daten nach dem Bewertungsstichtag in die Bewertung einzubeziehen.

§ 177 Abs. 2 S. 1 BewG-E regelt daher grundsätzlich, dass die für die Wertermittlung erforderlichen Daten des Gutachterausschusses i. S. d. § 193 Abs. 5 S. 2 BauGB bei den Bewertungen nach den §§ 182 bis 196 BewG für längstens zwei Jahre ab dem Ende des Kalenderjahres maßgeblich sind, in dem der vom Gutachterausschuss zugrunde gelegte Auswertungszeitraum endet.

  • Beispiel
Liegen für einen Bewertungsstichtag in 2020 Daten des Gutachterausschusses vor, die den Auswertungszeitraum 2017/2018 (Grundstücksmarktbericht 2018), den Auswertungszeitraum 2018/2019 (Grundstücksmarktbericht 2019) und den Auswertungszeitraum 2019/2020 (Grundstücksmarktbericht 2020) betreffen, sind bei der Bewertung die Daten aus dem Grundstücksmarktbericht 2019 heranzuziehen.

Soweit sich die maßgeblichen Wertverhältnisse allerdings nicht wesentlich geändert haben, können die Daten auch über einen längeren Zeitraum als zwei Jahre hinaus angewendet werden.

  • Beispiel
Für einen Bewertungsstichtag in 2020 liegen lediglich Daten des Gutachterausschusses vor, die den Auswertungszeitraum 2016/2017 umfassen. Haben sich die maßgeblichen Wertverhältnisse wesentlich geändert, sind die Daten als nicht mehr geeignet anzusehen und der Bewertung sind die gesetzlichen Bewertungsparameter zugrunde zu legen. Haben sich die maßgeblichen Wertverhältnisse allerdings nicht wesentlich geändert, können die Daten immer noch herangezogen werden.

Damit folgt der Gesetzgeber der Auffassung der Finanzverwaltung, die sich bereits im Vorfeld einer Gesetzesänderung entschieden hat, das BFH-Urteil vom 18.9.19 über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden und die Daten zu nutzen, die von den Gutachterausschüssen für den letzten Auswertungszeitraum abgeleitet werden, der vor dem Kalenderjahr endet, in dem der Bewertungsstichtag liegt.

2. Geregelte Einzelfälle

Der Grundsatz des § 177 Abs. 2 BewG-E GrStRefUG ist in verschiedenen speziellen Einzelregelungen des BewG übernommen worden.

2.1 Bewertung unbebaute Grundstücke

Dem Grundsatz des § 177 Abs. 2 BewG-E GrStRefUG folgend bestimmt § 179 S. 3 BewG-E GrStRefUG), dass bei der Wertermittlung stets der Bodenrichtwert anzusetzen ist, der vom Gutachterausschuss zuletzt vor dem Bewertungsstichtag zu ermitteln war. Es handelt sich insoweit wohl nur um eine Klarstellung, da dies bereits der bisherigen Bewertungspraxis entspricht.

2.2 Vergleichsfaktoren

Anstelle von Vergleichspreisen können auch Vergleichsfaktoren herangezogen werden, die vom örtlichen Gutachterausschuss für Grundstückswerte für geeignete Bezugseinheiten, z. B. die Wohnfläche (Gebäudefaktor) oder den erzielbaren jährlichen Ertrag (Ertragsfaktor), ermittelt und mitgeteilt werden (§ 183 Abs. 2 BewG). Gemäß § 183 Abs. 2 S. 3 BewG-E GrStRefUG sind die Vergleichsfaktoren anzuwenden, die von den Gutachterausschüssen für den letzten Auswertungszeitraum abgeleitet werden, der vor dem Kalenderjahr endet, in dem der Bewertungsstichtag liegt.

2.3 Bewirtschaftungskosten (§ 187 BewG und RB 187 ErbStR 2019)

Die im Rahmen des Ertragswertverfahrens anzusetzenden Bewirtschaftungskosten sind die bei gewöhnlicher Bewirtschaftung nachhaltig entstehenden Verwaltungs-, Betriebs- und Instandhaltungskosten sowie das Mietausfallwagnis.

Sofern vom örtlichen Gutachterausschuss geeignete Erfahrungssätze vorliegen, sind diese zugrunde zu legen. Gemäß § 187 Abs. 2 S. 2 BewG-E GrStRefUG sind die Erfahrungssätze anzuwenden, die von den Gutachterausschüssen für den letzten Auswertungszeitraum abgeleitet werden, der vor dem Kalenderjahr endet, in dem der Bewertungsstichtag liegt. Nur wenn diese nicht zur Verfügung stehen, ist von den pauschalierten Bewirtschaftungskosten nach Anlage 23 BewG auszugehen.

2.4 Liegenschaftszinssätze

Entgegen der Auffassung des BFH sind gemäß § 188 Abs. 2 S. 1 BewG-E GrStRefUG die Liegenschaftszinssätze anzuwenden, die von den Gutachterausschüssen für den letzten Auswertungszeitraum abgeleitet werden, der vor dem Kalenderjahr endet, in dem der Bewertungsstichtag liegt. Dies gilt entsprechend auch für die Bewertung von Erbbaurechten (§ 193 Abs. 4 S. 1 BewG-E GrStRefUG).

2.5 Anzuwendende Wertzahlen

Als Wertzahlen sind vorrangig die vom örtlichen Gutachterausschuss ermittelten Sachwertfaktoren (Marktanpassungsfaktoren) zur Angleichung an den gemeinen Wert anzuwenden.

Gemäß § 191 Abs. 1 BewG-E GrStRefUG sind die Sachwertfaktoren anzuwenden, die von den Gutachterausschüssen für den letzten Auswertungszeitraum abgeleitet werden, der vor dem Kalenderjahr endet, in dem der Bewertungsstichtag liegt. Stehen keine geeigneten Sachwertfaktoren zur Verfügung, sind die in der Anlage 25 BewG dargestellten Wertzahlen zu verwenden (zu Einzelfragen siehe R B 191 ErbStR 2019).

3. Nachweis eines niedrigeren Verkehrswertes

Entsprechend den Erbschaftsteuerrichtlinien 2019 (R B 198 Abs. 4 S. 1 ErbStR 2019) soll in § 198 Abs. 3 BewG-E GrStRefUG ausdrücklich festgeschrieben werden, dass als Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes auch ein innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Bewertungsstichtag (§§ 11, 9 BewG) zustande gekommener Kaufpreis über das zu bewertende Grundstück dienen kann, wenn die maßgeblichen Verhältnisse gegenüber den Verhältnissen am Bewertungsstichtag unverändert sind.

Ob ein Kaufpreis außerhalb dieses Zeitraums auch noch anerkannt werden kann, wenn die maßgeblichen Verhältnisse gegenüber denen am Bewertungsstichtag unverändert geblieben sind (so R B 198 Abs. 4 S. 2 ErbStR 2019), lässt sich der Gesetzesbegründung nicht entnehmen. Auch wenn dies dem Wortlaut entgegensteht, erscheint dies aufgrund der bisherigen Handhabung jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen.

4. Anerkennung eines Sachverständigen

Der BFH hat in seinem Urteil vom 5.12.19 (II R 9/18, BStBl II 21, 135) in Anknüpfung an ein früheres Urteil und entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung (gleich lautende Erlasse vom 19.2.14, BStBl I 14, 808) erneut bestätigt, dass der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes durch Vorlage eines Gutachtens des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken erbracht werden kann.

Die Finanzverwaltung wendet das Urteil des BFH über den entschiedenen Einzelfall nicht an (gleich lautende Erlasse vom 2.12.20, BStBl I 21, 146; siehe auch R B 198 Abs. 3 S. 1 ErbStR 2019). Dem folgend soll in § 198 Abs. 2 BewG-E GrStRefUG normiert werden, dass als Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes regelmäßig auch ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses i. S. d. §§ 192 ff. BauGB oder von Personen, die von einer staatlichen, staatlich anerkannten oder nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken bestellt oder zertifiziert worden sind, dienen kann. Damit müssen solche Gutachten künftig auch von den Finanzgerichten anerkannt werden.

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Quelle: IWW Verlag online, Link

AUSGABE 05 / 2021 | SEITE 111 | ID 47357654

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