Das Vermächtnis
ein Gestaltungsjuwel
Als „Vermächtnis“ bezeichnet man den zugewandten Vorteil selbst und auch die Anordnung des Erblassers, die die (einzelne) Zuwendung enthält. Der Beitrag zeigt die wichtigsten Gestaltungsmöglichkeiten mit ihren Vor- und Nachteilen.
1. Vor- und Nachteile des Vermächtnisses
Beim Vermächtnis gibt es einen weiten Gestaltungsspielraum, von der Zuwendung einzelner Gegenstände, z. B. Immobilien, Wohnrecht, Hausrat, Renten, Wertpapierdepots, bis hin zum gesamten Vermögen (sog. Universalvermächtnis). Das ist die Stärke des Vermächtnisses. Gerade dieser Facettenreichtum macht das Vermächtnis zu einem omnipotenten Gestaltungsmittel.
Die Schwäche liegt darin, dass der Vermächtnisnehmer nur eine schuldrechtliche Stellung hat. Denn aufgrund der Anordnung des Vermächtnisses erlangt der Vermächtnisnehmer (der Bedachte) einen Anspruch (§ 2174 BGB) gegen den Beschwerten, § 2147 BGB. Der Anspruch entsteht (Anfall des Vermächtnisses) frühestens mit dem Erbfall, §§ 2176 bis 2178 BGB. Er ist nach § 2174 BGB nicht identisch mit dem Vermögensvorteil, den der Erblasser dem Bedachten durch das Vermächtnis zuwendet; vielmehr ist Leistung des Vermögensvorteils der Inhalt des Vermächtnisanspruchs (Staudinger/Otte, BGB, 2013, Vorbem. zu §§ 2147 bis 2191 Rn. 2). Der Vermächtnisnehmer erwirbt den ihm zugewendeten Vermögensvorteil deshalb nicht unmittelbar durch das Vermächtnis, sondern erst dadurch, dass der Anspruch aus § 2174 BGB erfüllt wird, § 194 BGB.
MERKE | Da die Erbeinsetzung dinglich wirkt und der Erbe per Universalnachfolge in die Rechtsstellung des Erblassers eintritt (§ 1922 BGB), beschränkt das Gesetz der Erbeinsetzung an zahlreichen Stellen. Einige Beschränkungen gelten für den Vermächtnisnehmer nicht, worin ein weiterer Vorteil liegt. |
a) Vermächtnis zugunsten einer (noch) nicht gezeugten Person
Der Vermächtnisnehmer ist ein Nachlassgläubiger. Es ist daher nicht notwendig, dass er im Zeitpunkt des Erbfalls schon lebt oder gezeugt oder genügend bestimmt sein müsste, wie es § 1923 BGB für den Anfall der Erbschaft voraussetzt. Deshalb werden durch § 2178BGB der Anfall und die Fälligkeit des Vermächtnisses auf den Zeitpunkt der Geburt und nicht wie beim Erben nach § 1923 Abs. 2 BGB auf den der Zeugung hinausgeschoben. Bei der Erbeinsetzung wäre der Bedachte nach § 2101 BGB im Zweifel Nacherbe.
MERKE | Das Vermächtnis wird aber i. d. R. unwirksam, wenn der Bedachte nicht innerhalb von 30 Jahren nach dem Erbfall gezeugt ist, § 2162 Abs. 2 BGB. |
b) Möglichkeiten der „Drittbestimmung“
Nach § 2151 Abs. 1 BGB kann der Erblasser mehrere mit einem Vermächtnis in der Weise bedenken, dass der Beschwerte oder ein Dritter bestimmt, wer von den mehreren das Vermächtnis erhalten soll.
MERKE | Im Unterschied zu § 2065 Abs. 2 BGB ist eine Vertretung im Willen möglich. Der Personenkreis muss dabei so genau bezeichnet oder bestimmbar sein, dass der Bestimmungsberechtigte daraus den Bedachten auswählen kann. |
Die §§ 2153 bis 2156 BGB regeln, wie der zugewandte Gegenstand zu bestimmen und aufzuteilen ist. Dabei muss die körperliche Teilung, bei unteilbaren Sachen die ideelle Teilung nach Bruchteilen möglich sein. Der Erblasser kann die Bestimmung und Aufteilung dem Beschwerten oder einem Dritten überlassen.
c) Vor- und Nachvermächtnis versus Vor- und Nacherbfolge
Das Vor- und Nachvermächtnis (§ 2191 BGB) ermöglicht flexiblere Gestaltungen als die Vor- und Nacherbschaft. Vorteil ist die „nur“ schuldrechtliche Wirkung des Vermächtnisses, das den Beschwerten nicht so stark belastet wie die dinglichen Beschränkungen, z. B. des Vorerben, §§ 2100 ff. BGB. Nach § 2191 Abs. 2 BGB gelten nur einzelne Bestimmungen des Nacherbenrechts entsprechend.
d) Kombination von Erbeinsetzung und Vorausvermächtnis, § 2150 BGB
Erbeinsetzung und Vorausvermächtnis sind kombinierbar:
- Der Erbe ist Alleinerbe und als (Voraus-)Vermächtnisnehmer bedacht;
- es sind Miterben eingesetzt und darunter der mit dem Vorausvermächtnis Bedachte. Dabei sind sämtliche Miterben oder nur die übrigen Miterben beschwert, nicht aber der bedachte Miterbe.
2. Grundlagen des Vermächtnisses
Nach § 1939 BGB kann der Erblasser einem anderen, ohne ihn als Erben einzusetzen, einen Vermögensvorteil zuwenden (Legaldefinition). Das Vermächtnis kann durch Testament oder Erbvertrag angeordnet werden, §§ 1939, 1941 BGB.
a) Wirksamkeit des Vermächtnisses
Da das Vermächtnis durch letztwillige Verfügung angeordnet wird (§§ 1939, 1941, 2278, 2279 BGB), unterliegt es den allgemeinen Vorschriften über Willenserklärungen und kann nach den allgemeinen Bestimmungen (§§ 134, 138 BGB oder denen der Landesheimgesetze (dazu G. Möller in: Praxiskommentar Erbrechtliche Nebengesetze, 2. Aufl., Anhang zu § 14 HeimG) nichtig sein. Darüber hinaus gelten spezielle Unwirksamkeitsgründe für Vermächtnisse, wie z. B.
- Vorversterben des Bedachten, § 2160 BGB,
- Wegfall des Beschwerten, soweit ein entsprechender Erblasserwille anzunehmen ist, § 2161 BGB,
- Nichtzugehörigkeit des vermachten Gegenstandes bei Stückvermächtnis, falls kein Verschaffungsvermächtnis gewollt ist, § 2169 Abs. 1 BGB und
- objektive Unmöglichkeit zum Zeitpunkt des Erbfalls, § 2177 BGB.
b) Beschwerte
Mit einem Vermächtnis beschwert werden können Erben und Vermächtnisnehmer, § 2147S. 1 BGB. Der Vertragserbe kann jedoch nur bis zur Grenze des § 2289 Abs. 1 S 2 BGB beschwert werden. Wird ein Vermächtnisnehmer beschwert, handelt es sich um ein sog. Untervermächtnis, § 2186 BGB. Sind einer Person mehrere Vermächtnisse ausgesetzt, kann die Beschwerung mit einem Untervermächtnis auf sämtlichen Vermächtnissen ruhen, aber auch nur auf einigen oder einem einzigen. Wer zugleich Erbe und Vermächtnisnehmer ist (Vorausvermächtnisnehmer i. S. v. § 2150 BGB), kann hinsichtlich der einen oder der anderen Zuwendung beschwert werden.
c) Vermächtnisnehmer (Bedachter)
Vermächtnisnehmer kann jede Person sein (auch der Erbe, § 2150 BGB), selbst Gesamthandsgemeinschaften (Palandt/Weidlich, BGB, 76. Aufl., § 2174 Rn. 2) sowie Vorgesellschaften einer juristischen Person (Reymann in: Herberger/Martinek/Rüßmann u. a., jurisPK-BGB, 7. Aufl., § 2174 BGB Rn. 8).
d) Vermächtnisanspruch, § 2174 BGB
Der Umfang des Vermächtnisanspruchs nach § 2174 BGB umfasst alles, was erforderlich ist, den vermachten Gegenstand auf den Bedachten zu übertragen. Beim Grundstück sind das Auflassung und Eintragung, bei beweglichen Sachen Einigung und Übergabe. Eine Forderung ist abzutreten. Erfüllungsort ist der Wohnort des Beschwerten, § 269 Abs. 1 BGB. Fällig wird der Anspruch im Zweifel mit dem Anfall des Vermächtnisses, grundsätzlich also mit dem Tod des Erblassers, § 2176 BGB. Abweichend davon kann der Erblasser nach den §§ 2177, 2178 BGB den Anfall des Vermächtnisses durch einen Anfangstermin oder eine aufschiebende Bedingung für die Zeit nach seinem Tod festlegen.
e) Vermächtnisarten
Es gibt folgende besondere Arten von Vermächtnissen:
Übersicht / Vermächtnisarten |
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MERKE | §§ 2147 ff. BGB gelten auch für gesetzliche Ansprüche (sog. „gesetzliche Vermächtnisse“), z. B. § 1932 BGB (Voraus), § 1969 BGB (Dreißigster). |
f) Vermächtnisgegenstand
Gegenstand des Vermächtnisses kann alles sein, was auch Gegenstand eines Schuldverhältnisses sein könnte, also jedes rechtserhebliche Tun oder Unterlassen, das darauf abzielt, die Vermögenslage des Bedachten zu verbessern. Zuwendungsfähig ist alles, was in einem Schuldverhältnis als Leistung vereinbart werden kann, sei es unentgeltlich oder eine Gebrauchsüberlassung oder eine Begünstigung für einen begrenzten Zeitraum.
Übersicht /l Beispiele für Vermächtnisse |
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g) Auslegung
Oft ist unklar, ob ein Vermächtnis gewollt ist oder eine Erbeinsetzung oder nur eine Auflage. Bei der Auslegung ist insoweit zu prüfen, welche wirtschaftlichen Zwecke der Erblasser verfolgt hat und ob der von ihm Bedachte unmittelbare Rechte am Nachlass oder nur Ansprüche gegen andere Bedachte erwerben soll (BayObLG Rpfleger 89, 22). Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls, und nicht nur, welche Ausdrücke der Erblasser verwendet hat. § 2087 Abs. 1 und 2 BGB enthalten für das Vermächtnis wichtige Auslegungsregeln: Werden nur einzelne Gegenstände zugewandt, ist zuerst an ein Vermächtnis zu denken, § 2087 Abs. 2 BGB. Hat der Erblasser hingegen sein Vermögen oder Bruchteile davon dem Bedachten zugewandt, ist die Verfügung als Erbeinsetzung anzusehen, auch wenn der Bedachte nicht als Erbe bezeichnet ist, § 2087 Abs. 1 BGB. Soll durch die letztwillige Verfügung für den Bedachten keine Forderung begründet werden, kommt lediglich eine Auflage in Betracht, § 1940 BGB.
h) Verjährung
Für Vermächtnisse gilt die allgemeine Regelverjährungsfrist von drei Jahren, § 195 BGB. Sie beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (beim Vermächtnis: Erbfall) und der Vermächtnisnehmer (Gläubiger) von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Beschwerten (Schuldners; grundsätzlich: Erbe) Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, § 199 Abs. 1 BGB. Ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis verjährt der Anspruch in 30 Jahren nach seiner Entstehung, § 199 Abs. 3a BGB.
i) Erbschaftsteuer
Das Vermächtnis unterliegt wie der Erbanfall als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), die grundsätzlich mit dem Tod des Erblassers entsteht, § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Für den Erben (Beschwerten) sind die Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen vom erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG abzugsfähig.
j) Gerichtsstand
Für Vermächtnisansprüche gilt der besondere Gerichtsstand des § 27 ZPO oder der allgemeine Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beschwerten, § 13 ZPO. Geht es um Leistungsstörungen, hat z. B. der Erbe den vermachten Pkw beschädigt, greifen die allgemeinen Regeln, §§ 241 ff., 280 ff. BGB (vgl. Gottwald, EE 15, 138).
Checkliste / Anordnung von Vermächtnissen |
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Weiterführende Hinweise
- Becker, notar 16, 200, Zum gemeinschaftlichen Vermächtnis
- Funke/Roth, Das Vermächtnis in der Praxis, NJW-Spezial 14, 743
- Mayer, ErbR 11, 322, Ausgewählte Probleme des Vermächtnisses
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Quelle: IWW online, Link